www.blumenwiesen.org Monika Kreusel - Borderline-Persönlichkeitsstörung



Dialektisch Behaviorale Therapie: Einzeltherapie

Die Einzeltherapie ist neben dem Fertigkeitentraining ein wesentlicher Baustein in der DBT.

Der DBT-Einzeltherapeut hilft der Patientin aktuelle Probleme anzusehen und Lösungsmöglichkeiten zu finden.

    Aufgabe der Einzeltherapie ist es, aktuelle Schwierigkeiten, Probleme und Leid miteinander anzuschauen und zusammen Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Dabei orientieren wir uns an dem Grundgedanken: das Gefährlichste und Bedrohlichste zuerst. Wir schauen also am Anfang jeder Einzeltherapiestunde, was zur Zeit für die Klientin das Gefährlichste und Bedrohlichste ist, und erarbeiten genau daran. Dabei haben wir eine Prioritätenliste, die besonders gefährliche und bedrohliche Themen vorsortiert: (Ingrid Sender, 2000, S. 45)

  1. Selbstmordversuche und selbstschädigende Handlungen (d.h. alle Handlungen, die mit der Absicht durchgeführt werden, sich zu töten, sowie Selbstmordgedanken und Selbstmordpläne. Alles, was körperlich schädigend ist, wie z.B. sich Schneiden, sich Brennen etc.)


  2. Alles, was die Fortsetzung der Therapie gefährden oder sogar verhindern kann (d.h. Fernbleiben von Therapiestunden, Nichteinhalten von Vereinbarungen, ungenügendes Üben zwischen den Sitzungen)


  3. Alles, was die Lebensqualität der Betroffenen herabsetzt (z.B. schädigende Beziehungen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch
Ingrid Sender, 2000, S. 45

In der DBT-Einzeltherapie wird nach Strategien Ausschau gehalten, die die Patientin anwenden kann in diesen Situationen.



Der DBT-Einzeltherapeut sollte sich als Coach oder Trainer der Patientin verstehen, der sie anspornt, motiviert und sich mit ihr an einem übergeordneten Ziel orientiert, die vor Theapiebeginn positiv und so konkret wie möglich festgelegt wurden (Martin Bohus, 2002, S. 21)

Martin Bohus vergleicht die Therapie mit einer Bergtour:


"Wir stehen am Beginn einer längeren Therapie. Das ist wie vor einer schweren Bergtour und Sie sind wie eine Touristin, die zu einem erfahrenen Bergführer kommt, um ihn zu bitten, auf den Gipfel geführt zu werden. Der Bergführer erläutert die Schwierigkeiten der Tour, die Länge und die Anstrengungen, die auf sie beide warten. "Er sei erfahren", meint er, "er kenne den Weg, aber er wisse nicht genau, wie das Wetter sich entwickle, wie die Eisverhältnisse seien und was sonst an unvorhergesehen Dingen passieren könne. Er traue Ihnen zu, dass Sie es schaffen könnten, sonst würde er sich nicht mit Ihnen auf den langen Weg machen." "Aber", und das schärft er Ihnen ein:"Ich kann Sie nicht tragen. Ich werde Ihnen den Weg zeigen, ich werde Ihnen vorangehen, aber laufen müssen sie selbst. Und es wird Momente geben, da werden Sie meinen, keine Kraft mehr zu haben, da wollen Sie verzweifeln und aufgeben. Ich sage es Ihnen lieber gleich - Ich werde das nicht zulassen. Wenn wir zusammen losgehen, kommen wir zusammen an."

Martin Bohus, 2002, S. 21-22


Es lässt sich so leicht vorstellen, dass eine solche Therapie von beiden viel fordert. Der Therapeut sichert seiner Patientin zu, dass er sie dabei keinesfalls alleine lässt. Er ist auch derjenige, der meistens die Telefonberatung durchführt zwischen den Sitzungen (Marsha Linehan, 1996b, S. 19).



Methoden wie technische Neutralität und Gegenübertragungsdeutungen, wie sie vor allem von Analytikern angewendet werden, werden in der DBT-Einzeltherapie unterlassen. Denn Borderline-Patientinnen fühlen sich davon zu häufig verängstigt, oder aber aber nicht gesehen bzw. irritiert. In der Dialektisch Behavioralen Therapie geht es mehr darum, dass der Therapeut sich als zielorientierter, engagierter und emotionale greifbarer Partner anbietet (Martin Bohus, 2002, S. 22).

Der DBT-Therapeut benennt seine Emotionen als Reaktion auf das Verhalten der Patientin. Es geht nicht darum, einer Patientin vorzuwerfen, die im Therapeuten ausgelösten Emotionen beabsichtigt zu haben, sondern lediglich diese als Konsequenz ihres Verhaltens zu benennen und zu erfragen, welche Absichten sie tatsächlich hatte. Ein Beispiel hierfür ist:

    "Wenn Sie hier sitzen und seit 10 Minuten schweigen, dann werde ich unruhig und habe das Gefühl, ich bin hier &überflüssig, liegt das in ihrer Absicht?" oder: "Wenn Sie mir sagen, dass Sie völlig verzweifelt sind, aber jedes Angebot von mir, Ihnen zu helfen, ausschlagen, so fühle ich mich ziemlich hilflos. Und wenn ich mich hilflos fühle, werde ich wie die meisten Menschen, irgendwann wütend. Wollen Sie das wirklich bezwecken?" (Martin Bohus, 2002, S. 22)



Borderline-Patientinnen können sehr sensibel auf das mimische Ausdrucksverhalten anderer Menschen reagieren und dies adäquat dekodieren. Sie selbst aber zeigen eine erhebliche Diskrepanz zwischen ihrer aktuellen subjektiven Befindlichkeit und ihrem mimischen Ausdruck. Oft ist ihnen das nicht bewusst. Möglicherweise lächeln sie, wenn sie wütend sind oder Angst haben. Oder aber sie sprechen neutral von ihren Suizidgedanken und fühlen sich nicht ernstgenommen, weil ihr Gegenüber mehr auf den nonverbalen Ausdruck reagiert (Martin Bohus, 2002, S. 22-23).

Deshalb achtet der DBT-Einzeltherapeut stärker auf die verbalen als auf die nonverbalen Signale der Patientin. Um Missverständnisse zu klären und die Beziehung zu klären werden dafür auch erfolgreich Medien wie Videoaufzeichnungen und Audiokassetten eingesetzt und besprochen (Martin Bohus, 2002, S. 21-22).



Wie auch in anderen Beziehungen haben Borderline-Patientinnen häufig Schwierigkeiten sich in dessen Abwesenheiten ein inneres Bild vom Therapeuten zu erhalten. So können sie einen völligen Verlust empfinden während einer mehrtägigen Abwesenheit (Martin Bohus, 2002, S. 22).

Deshalb hat sich bewährt, dass Patientinnen in der DBT sogenannte 'Übergangsobjekte' mitbekommen. Solche Gegenstände kennen sie sicher aus einem anderen Zusammenhang von Zuhause. Kuscheltiere oder Andenken an einen geliebten Menschen stellen beispielsweise Übergangsobjekte dar.

    Es hat sich bewährt, den Patientinnen konkrete, sinnlich wahrnehmbare Objekte, die an den Therapeuten erinnern, zur Hand zu geben. Dies kann ein Bild sein, ein Parfum, ein Stein oder auch, und dies erscheint besonders wirkungsvoll, eine Audio-Kassette mit der Stimme des Therapeuten (Martin Bohus, 2002, S. 22).



Die Beachtung der Grenzen des Therapeuten sind von Bedeutung für die DBT-Einzeltherapie. Dabei können die Grenzen individuell verschieden sein, wodurch sich für jeden Therapeuten folgende Fragen stellen:

  • Wie spät kann man mich zu Hause noch anrufen?
  • Wieviel Unsicherheit kann ich ertragen?
  • Kann ich Stunden verlängern oder zusätzliche Stunden anbieten?
  • Wieviel Angst um die Patientin kann ich aushalten?
  • Wie reagiere ich auf Hochrisikoverhalten?
  • Wie reagiere ich auf ein Geburtstagsgeschenk von der Patientin?

  • Martin Bohus, 2002, S 23)

Der DBT-Einzeltherapeut wird seine individuellen Grenzen der Patientin transparent machen und auch einhalten. Er wird ihr dabei helfen mit diesen Grenzen umzugehen (Martin Bohus, 2002, S. 24).



Der Therapeut balanciert zwischen Akzeptanz und Drängen auf Veränderung (Martin Bohus, 2002, S. 24). Borderline-Patientinnen, die in die DBT kommen stehen unter einem hohen Leidensdruck. Sie verwenden verschiedene dysfunktionale Bewältigungsstratgien, die ihnen vorübergehend geholfen haben, auf Dauer aber dysfunktional waren.


Abbildung 1: Ich bin nicht mein Gefühl (Alice u. Martina Sendera, 2005, S. 134)

Sie lernen in der DBT, dass sie nicht ihren Gefühlen ausgeliefert sein müssen, sondern lernen können anders zu handeln. (Martin Bohus, 2002, S. 24; Alice u. Martina Sendera, 2005, S. 134) "Ich bin nicht mein Gefühl, ich habe ein Gefühl - ist dieses Gefühl jetzt gerade angemessen oder nicht?" ist ein Satz, der die gesamte Therapie begleitet (Martin Bohus, 2002, S. 24). Er schafft innere Distanz. Als den ersten Schritt zu Erlangung einer inneren Distanz nennt Martin Bohus Akzeptanz. Das bedeutet keinesfalls, eine Situation oder ein Gefühl gutzuheißen, sondern anzunehmen, was man in Augenblick nicht verändern kann. Akzeptanz bedeutet auch den Verzicht des Therapeuten auf Schuldvorwürfe, Verurteilungen oder Manipulationen (Martin Bohus, 2002, S. 24). Radikale Akzeptanz ist auch etwas, was die Patientinnen in der DBT lernen (Alice u. Martina Sendera, 2005, S. 134-135).

    Radikales Annehmen heißt, vom Kampf mit der Realität loszulassen. Der Ausdruck "radikal" soll darauf hinweisen, dass das Annhemen tief aus dem Inneren heraus kommen und vollständig sein muss. Annehmen ist der einzige Weg aus der Hölle. Es ist der Weg, um unerträgliches Leiden in ertragbare Schmerzen zu verwandeln. Schmerzen sind ein Teil des Lebens; sie können emotional oder auch körperlich sein. Schmerzen sind ein natürliches Signal, dass etwas nicht in Ordnung ist oder, dass etwas getan werden sollte (Marsha Linehan, 1996b, S. 131).

Wenn man die Realität akzeptiert, kann man aktiv nach Lösungen suchen und diese angehen. Eine Situation nicht zu akzeptieren, bewirkt keinesfalls auf magische eine Veränderung (Marsha Linehan, 1996, S. 132).



In der Dialektisch Behavioralen Therapie gibt es klare Regeln, an die sich die Patientinnen halten müssen. Im Verlauf der Therapie gibt es nun zwei Risiken, nämlich zum einen, dass der Therapeut zu rigide und starr auf der Einhaltung von Regeln besteht, was die Beziehung gefährden kann, indem er die Bedürfnisse der Patientin übergeht. Eine zu große Flexibilität dagegen kann dysfunktionale Verhaltensweisen der Patientin verstärken (Martin Bohus, 2002, S. 25). Darum gilt es beides einander auszubalancieren. Eine ausgewogene Balance wäre hier beispielsweise im Fall einer Patientin, die wenige Mitnuten der Sitzung dem Therapeuten erklärt, dass eine schwierige Begegnung mit ihrem Vater bevorstehe und sie Angst davor habe:

    "Das klingt bedrohlich, dennoch kann ich nicht einfach den Zeitrahmen sprengen. Ich habe um 14.30 Zeit für einen Telefontermin, den können Sie wahrnehmen. Die Zeit, die wir zur Lösung des Problems brauchen, geht dann leider von Ihrer nächsten Stunde ab, das hilft Ihnen vielleicht, zentrale Probleme so zeitig anzusprechen, dass wir sie bearbeiten können." (Martin Bohus, 2002, S. 26)



Der Therapeut balanciert zwischen stützender und wohlwollend fordender Haltung (Martin Bohus, 2002, S. 26). Er ist stets auf der Suche nach Fähigkeiten der Patientin und motiviert sie, diese anzuwenden, wobei er die Verantwortung für Situationen, in denen sie selbst für sich sorgen kann, ihr überlässt (Martin Bohus, 2002, S. 26).



Der Therapeut nützt seine Fehler (Martin Bohus, 2002, S. 26). Die Therapie mit Borderline-Patientinnen ist eine sehr komplexe und schwierige Aufgabe. Da kann es auch logischerweise zu Fehlern des Therapeuten kommen. Durch das Zugeben dieser Fehler und das Besprechen mit der Patientin ermöglicht es ihr, ihn als Modell zu sehen (Martin Bohus, 2002, S. 26-27). Und sie hat die Möglichkeit zu erleben, dass ein ihr wichtiger Mensch Fehler macht und deshalb nicht 'schlecht' ist. Er ist einfach nur ein Mensch.



Für Borderline-Patientinnen ist die intensive Arbeit in der DBT an sich sehr kraftzehrend. Schon kleine Schritte können harte Arbeit sein, das darf nicht vergessen werden. Sie stellen unrealistische und perfektionistische Erwartungen an sich. (Marsha Linehan, 1996b, S.57). Umso wichtiger ist es da, dass der Therapeut sie bestätigt, belohnt und ihre Leistungen anerkennt (Martin Bohus, 2002, S. 27).



Borderline-Patientinnen senden in ihren Beziehungen alternierend gegensätzliche Signale, die auf ebenso gegensätzlichen dysfunktionalen Grundannahmen beruhen. Einerseits sind sie überzeugt, alleine nicht überleben zu können, wohingegen sie auch überzeugt sind, andere mit Abscheu zu erfüllen (Martin Bohus, 2002, S. 27). So bewegen sie sich zwischen "Verschmelzung suchend" und Distanz. Das Gegenüber sieht sich abwechselnd in anziehende und abstoßende Interaktionen verwickelt (Martin Bohus, 2002, S. 27). So können auch die Wünsche in bezug auf ihr Leben der Betroffenen gegensätzliche Positionen darstellen, die sie nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnehmen können. Im Extremfall bedeutet dies, dass sie zwar einerseits leben wollen, aber nur sehen können, dass sie so nicht mehr leben wollen. Daher ist es in der Therapie wichtig, dass sie Unterstützung darin finden, beides nebeneinander zu sehen. "Dialektische Strategien", also Methoden, konstruktiv mit Widersprüchen zu arbeiten, haben sich dabei bewährt (Martin Bohus, 2002, S. 28).

In den nächsten Tagen werden hier mehr Informationen zur DBT-Einzeltherapie zu finden sein. Wir bitten um Geduld. Danke.

Literatur:
Bohus, Martin; Borderline-Störung, 2002, Hogrefe
Linehan, Marsha; Dialektisch Behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, 1996a, CIP-Medien
Linehan, Marsha, Trainingsmanual zur Dialektisch Behavioralen Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, 1996b, CIP-Medien
Sendera, Alice; Sendera, Martina; skills-training bei borderline- und posttraumatischer belastungsstörung, 2005, Springer Wien New York
Sender, Ingrid; Ratgeber Borderline-Syndrom, 2000, CIP-Medien

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Zuletzt aktualisiert am 25.01.2020


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